Nach wochenlangem Schweigen hat Fußballnationalspieler Mesut Özil sein umstrittenes Foto mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan ...
Nach wochenlangem Schweigen hat Fußballnationalspieler Mesut Özil sein umstrittenes Foto mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan verteidigt. In einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung wies der türkischstämmige Mittelfeldstar den Vorwurf zurück, er habe den Präsidenten politisch unterstützen wollen. Außerdem erhob er schwere Vorwürfe gegen deutsche Zeitungen, die "rechte Propaganda" gegen ihn betrieben hätten.
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"Für mich ging es bei dem Foto mit Präsident Erdogan nicht um Politik oder Wahlen", heißt es in der auf Englisch verfassten Erklärung, die auf den Profilen des Fußballers in den Online-Netzwerken veröffentlicht wurde. Er habe damit vielmehr "das höchste Amt im Land meiner Familie respektiert".
"Die vergangenen Wochen haben mir die Zeit gegeben, zu reflektieren und über die letzten Monate nachzudenken", heißt es in Özils erster öffentlichen Stellungnahme zu der seit Monaten andauernden Affäre. Ihm sei bewusst, dass das Foto, das ihn und seinen Nationalmannschaftskollegen Ilkay Gündogan mit Erdogan zeigt, in den deutschen Medien einen "riesigen" Widerhall gefunden habe.
Manche würden ihn jetzt womöglich der Lüge bezichtigen, aber hinter dem Foto hätten "keine politischen Absichten" gestanden, erklärte der Spieler des englischen Erstligisten Arsenal London. Das Treffen mit Erdogan sei "keine Unterstützung irgendeiner Politik" gewesen. "Für mich war nicht wichtig, wer der Präsident war, sondern dass es der Präsident war."
Erdogan nicht zu treffen hätte wegen dessen Präsidentenamt eine Respektlosigkeit gegenüber "den Wurzeln meiner Vorfahren" bedeutet. Auch die britische Premierministerin Theresa May und Queen Elizabeth II. hätten Erdogan bei dessen London-Besuch getroffen.
"Ob es der türkische oder der deutsche Präsident gewesen wäre, meine Handlungen wären nicht anders gewesen", heißt es in der Erklärung. Bei dem Gespräch mit Erdogan sei es im Übrigen um Fußball gegangen: "Mein Beruf ist Fußballspieler und nicht Politiker."
Zugleich kritisierte Özil scharf deutsche Medien: "Bestimmte deutsche Zeitungen nutzen meinen (familiären) Hintergrund und das Foto mit Präsident Erdogan für rechte Propaganda für ihr politisches Ziel." Sie hätten ihn für das frühe Ausscheiden des DFB-Teams bei der Fußball-WM in Russland verantwortlich gemacht. Zeitungen hätten versucht, Deutschland gegen ihn aufzubringen.
Özil und Gündogan hatten Erdogan Mitte Mai in London getroffen und sich mit ihm fotografieren lassen. Gündogan überreichte dem türkischen Präsidenten dabei ein Trikot mit der persönlichen Widmung "Mit großem Respekt für meinen Präsidenten." Das Treffen wenige Wochen vor der Türkei-Wahl und der Fußball-WM löste in Deutschland eine Welle der Empörung aus. Kritik kam auch von Bundestrainer Joachim Löw. Nach dem frühen Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-WM in Russland kochte das Thema wieder hoch.
Erdogan steht wegen seines repressiven Vorgehens gegen die Opposition und der Einschränkung der Menschenrechte in der Türkei international in der Kritik. In den vergangenen Monaten führte er harte Auseinandersetzungen mit der Bundesregierung. Der frühere Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir kritisierte - wie von ihm nicht anders zu erwarten - Özils Äußerungen. "Es ist sehr bedauerlich, wie sich Özil jetzt äußert. Damit spielt er denen einen Steilpass zu, die unsere Demokratie ablehnen hier wie dort."
Mit dem "Alleinherrscher Erdogan zu posieren" sei respektlos denen gegenüber, die in der Türkei gegängelt würden oder willkürlich im Gefängnis säßen, erklärte der Bundestagsabgeordnete. Özil sei den in Deutschland lebenden Deutsch-Türken, die sich für eine demokratische Türkei aussprächen, in "seiner Vorbildfunktion nicht gerecht geworden".
by via Berliner Tageszeitung - News aus Politik und Wirtschaft - Berliner Tageszeitung
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