Mehr als eine Woche nach der Tötung eines 35-jährigen Manns in Chemnitz wird nach Informationen von BERLINER TAGESZEITUNG, nun einem dritten...
Mehr als eine Woche nach der Tötung eines 35-jährigen Manns in Chemnitz wird nach Informationen von BERLINER TAGESZEITUNG, nun einem dritten Tatverdächtigen gefahndet. Das Amtsgericht Chemnitz erließ am Dienstag Haftbefehl gegen den mutmaßlichen Mittäter und leitete eine Öffentlichkeitsfahndung nach dem Iraker ein, wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilten. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CDU) räumte im Zusammenhang mit einem der anderen Tatverdächtigen Fehler bei der Überprüfung durch die Behörden ein.
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Gefahndet wurde nach einem 22 Jahre alten irakischen Asylbewerber. Wegen des Tötungsfalls sitzen bereits ein mutmaßlicher Iraker und ein mutmaßlicher Syrer in Untersuchungshaft. Ihre Identität steht nach jüngsten Angaben des Bundesinnenministeriums allerdings noch nicht zweifelsfrei fest. Sie sind wie nun der dritte Mann dringend verdächtig, am vorvergangenen Wochenende den 35-jährigen Deutschen am Rande des Stadtfests erstochen zu haben. Allen dreien wird gemeinschaftlicher Totschlag vorgeworfen.
Die Hinweise auf den nun Gesuchten hätten sich durch Aussagen von Zeugen und eines der anderen Verdächtigen ergeben. Zunächst habe der Name des dritten Tatverdächtigen überprüft werden müssen, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Auch hätten die Ermittler versucht, den Aufenthaltsort des Mannes zu ermitteln, hätten ihn aber nicht ausfindig machen können. Deshalb werde nun nach ihm gefahndet. Wo er Mann zuletzt gemeldet war, konnte die Sprecherin nicht sagen.
Nach der Tat war es in Chemnitz wiederholt zu Demonstrationen auch rechter Gruppierungen gekommen, es soll dabei auch Angriffe auf Ausländer gegeben haben. Im Fall des bereits in Untersuchungshaft sitzenden mutmaßlichen Irakers war bereits bekannt geworden, dass dieser 2016 hätte nach Bulgarien abgeschoben werden können, wo er zuerst einen Asylantrag gestellt hatte. Die Kommunikation zwischen der zuständigen Ausländerbehörde und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) "hätte hier besser sein müssen", erklärte Seehofer am Dienstag. "Solche Verzögerungen und Fehler müssen wir in der Zukunft verhindern."
Seehofer räumte zudem ein, dass auch die Untersuchung der von dem Mann vorgelegten Dokumente "zu lange gedauert" habe. Dies sei darauf zurückzuführen, dass das Bamf über zu wenige hochspezialisierte Dokumentenprüfer verfüge. Die bei der Anhörung im Asylverfahren vorgelegten Dokumente waren demnach "Totalfälschungen". Laut Bundesinnenministerium arbeitet das Bamf mit den Strafverfolgungsbehörden eng zusammen, um die Identität des Tatverdächtigen aufzuklären. Dessen Asylantrag wurde inzwischen abgelehnt, die Ablehnung sei aber noch nicht rechtskräftig.
Der zweite Tatverdächtige stellte nach Ministeriumsangaben im Mai 2015 einen Asylantrag. Im September desselben Jahres sei dem mutmaßlichen Syrer die Anerkennung als Flüchtling gewährt worden. Im Rahmen der Regelüberprüfung wurde mittlerweile das Widerrufsverfahren eingeleitet, dabei würden auch die Angaben des Manns zu seiner Identität geprüft.
Mit dem Fall Chemnitz befasste sich am Dienstag auch der Verfassungs- und Rechtsausschuss des sächsischen Landtags. Die Linksfraktion forderte im Anschluss vor allem mehr Aufklärung darüber, unter welchen Umständen einer der Haftbefehle ins Internet gelangen konnte. Ein Justizbeamter hatte zugegeben, das Dokument an die Öffentlichkeit gegeben zu haben.
Die Grünen forderten nach den Ausschreitungen in Chemnitz von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) eine klare Strategie gegen Rechtsradikalismus. Nötig sei ein runder Tisch zu Rechtsextremismus sowie eine Stärkung der Jugendarbeit und von Demokratieprojekten. Kretschmer will am Mittwoch eine Regierungserklärung zum Thema "Für eine demokratische Gesellschaft und einen starken Staat" abgeben.
by via Berliner Tageszeitung - News aus Politik und Wirtschaft - Berliner Tageszeitung
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