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Nach den schweren Verlusten von CDU und SPD in Hessen steht die große Koalition vor einer Zerreißprobe: In der SPD wird offen der Ausstieg gefordert. "Der Zustand der Regierung ist nicht akzeptabel", räumte die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles am Sonntagabend ein, die Regierungsbeteiligung will sie jedoch zunächst fortsetzen. In der CDU befeuerte das Wahlergebnis die Diskussion um die Zukunft von Parteichefin Angela Merkel.
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Wie schon zwei Wochen zuvor in Bayern erlitten die an der Bundesregierung beteiligten Parteien in Hessen massive Verluste. CDU und SPD büßten jeweils rund zehn Prozentpunkte ein. Das sei ein Signal an die große Koalition, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil: "Es muss sich hier in Berlin deutlich etwas ändern."
Auch die Wahlkämpfer der beiden Parteien in Hessen führten ihr Abstürzen unmissverständlich auf das chaotische Auftreten der schwarz-roten Koalition im Bund zurück. Der Wahlkampf sei "ganz stark überlagert vom Erscheinungsbild der großen Koalition in Berlin" gewesen, beklagte der hessische Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat Volker Bouffier. "Wir haben die Themen gesetzt, aber gegen den Bundestrend sind wir machtlos", stimmte SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel ein.
Die "GroKo"-Kritiker in der SPD fühlen sich von dem Ergebnis in ihrem Widerstand gegen das Bündnis bestärkt. "Wir müssen raus aus der großen Koalition und zwar ohne Wenn und Aber", sagte die SPD-Linke Hilde Mattheis der "Augsburger Allgemeinen". Auch der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert stellte das Regierungsbündnis in Berlin abermals infrage: "Unter den Bedingungen, unter denen wir in Berlin arbeiten, kann die SPD in keinem Bundesland einen Fuß auf die Erde bekommen."
Noch schreckt die Parteispitze vor diesem Schritt zurück. Parteichefin Nahles fand jedoch am Wahlabend deutliche Worten und stellte ein Ultimatum für die große Koalition. Union und SPD müssten nun einen "verbindlichen Fahrplan" vereinbaren, sagte sie. An dessen Umsetzung bis zur "Halbzeitbilanz" der Regierung zur Mitte der Legislaturperiode werde sich entscheiden, ob die SPD in der Koalition noch "richtig aufgehoben" sei.
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer forderte eine "neue Arbeitskultur" der großen Koalition. Union und SPD müssten nun entscheiden, "welche drei großen Projekte für die Zukunft Deutschlands sie gemeinsam konzentriert und geschlossen angehen wollen". Mitte November soll es nach den Worten von Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) eine Kabinettsklausur geben.
In der CDU gewann noch am Wahlabend die Diskussion um die Zukunft von Kanzlerin und Parteichefin Merkel an Fahrt. Die in der Werteunion zusammengeschlossenen konservativen Merkel-Kritiker forderten abermals ihre Ablösung auf dem Parteitag im Dezember.
"Wir brauchen ein inhaltliches Angebot mit klarem Kurs und neuen Personen", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian von Stetten "Stuttgarter Zeitung" und "Stuttgarter Nachrichten" - ohne Merkel ausdrücklich zu nennen. Braun gab der Partei- und Regierungschefin hingegen Rückendeckung: "Angela Merkel ist immer noch unser größtes Pfund", sagte der Kanzleramtschef dem Sender "Phoenix". "Es gibt gar keinen Grund daran zu rütteln."
by via Berliner Tageszeitung - News aus Politik, Wirtschaft und Sport - Berliner Tageszeitung
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