Grüne, Umweltverbände und Klimaforscher haben der Bundesregierung zum Auftakt der UN-Klimakonferenz im polnischen Kattowitz ein schlechtes Z...
Grüne, Umweltverbände und Klimaforscher haben der Bundesregierung zum Auftakt der UN-Klimakonferenz im polnischen Kattowitz ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock warf der Regierung am Montag "klimapolitisches Versagen" vor. Von einem schlechten Beispiel auch für andere Länder sprach der Kieler Klimaforscher Mojib Latif.
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Nach ersten Vorberatungen am Sonntag wurde die UN-Konferenz am Montag offiziell eröffnet. "Der Schutz des Klimas ist eine Überlebensfrage der Menschheit", sagte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) in Kattowitz. "Wir brauchen im Klimaschutz mehr Verbindlichkeit, mehr Mut und mehr Solidarität", sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) mit Blick auf das auf der UN-Konferenz geplante Regelwerk zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens.
Kritik gab es jedoch vor allem daran, dass die Bundesregierung entgegen eigener Zusage bislang keinen Zeitplan für den Ausstieg aus der Kohleverstromung vorgelegt hat. "Andere Länder haben gezeigt, dass man eine Verkehrswende hinbekommen kann, dass man einen Kohleausstieg gesetzlich verankern kann. Und all das tut Deutschland leider nicht", sagte Baerbock. Sie rief aber auch die Menschen in Deutschland zu klimafreundlicherem Verhalten auf, etwa im Verkehr.
"Wer international den Ton angeben will, muss selber mit gutem Beispiel voran gehen", forderte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Er forderte die Bundesregierung auf, "tragfähige Konzepte dafür vorzulegen, wie Klimaschutz und wirtschaftliche Modernisierung Hand in Hand gehen" und drängte ebenfalls auf einen raschen Kohleausstieg. Ansonsten lande die Bundesregierung "auf dem klimapolitischen Abstellgleis".
"Deutschland steht in gewisser Weise mit leeren Händen da", sagte der Klimaexperte Latif nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview. Auch er verwies auf die Entscheidung von Union und SPD, die Vorlage eines konkreten Zeitplans für den Kohleausstieg auf das kommende Jahr zu verschieben. Dahinter könnten sich jetzt andere Länder wie Polen "sehr gut verstecken und sagen, ja, Deutschland will auch länger an der Kohle festhalten, also machen wir das auch".
Gleiches gelte für das Abholzen von Wäldern. Wenn Deutschland zugunsten des Braunkohleabbaus den Hambacher Forst abholze, "was wollen sie einem Brasilianer sagen, wenn der sagt, ok, jetzt fange ich auch an, ordentlich den Regenwald abzuholzen"?, fragte Latif. Auch in anderen Bereichen gehe es in Deutschland nicht voran, kritisierte der Experte mit Blick auf die Sektoren Verkehr und Gebäude.
Die Bundesregierung müsse "zu Hause liefern, um international Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen", forderten auch die Netzwerke für Klimaschutz und Entwicklungspolitik, die Klima-Allianz und Venro. In einer gemeinsamen Erklärung begrüßten sie zwar die Aufstockung des deutschen Beitrags für den Weltklimafonds (GCF), den die Bundesregierung verdoppeln will. Doch "es reicht nicht, den Geldbeutel zu zücken, wenn man zu Hause seine Klimaziele krachend verfehlt", warnten die Verbände weiter.
Schulze räumte in Kattowitz Probleme ein, so sei das Verfehlen des deutschen Emissionsziel für 2020 "schmerzhaft". Die Ministerin verwies auf das im kommenden Jahr geplante Klimaschutzgesetz, das weitere Anstrengungen in allen Sektoren festschreiben werde. Dabei sei es aber auch wichtig, "soziale Gerechtigkeit mitzudenken".
by via Berliner Tageszeitung - News aus Politik, Wirtschaft und Sport - Berliner Tageszeitung
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